SPD-Vorsitzende Saskia Esken: „So nicht, Herr Merz!“
Zu Gast auf Gut Berneck in Schramberg
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Das hat die SPD-Vorsitzende Saskia Esken garantiert noch nicht erlebt: Zur Begrüßung spielte eine Schiedmayer Scheola Orgel-Harmonium Celesta aus der Ouvertüre zu „Wilhelm Tell“ von Gioachino Rossini. Eingeschaltet hatte diesen ungewöhnlichen Musikautomat Schramberges Ehrenbürger Hans-Jochem Steim. Esken war auf Einladung des SPD- Ortvereins auf Gut Berneck gekommen, um hier fast zwei Stunden Rede und Antwort zu stehen.
Schramberg. Etwa 60 SPD-Mitglieder und Freunde der SPD waren an diesen für eine SPD-Veranstaltung eher untypischen Ort gekommen. Der Grund: Der Termin sei sehr kurzfristig zustande gekommen, und Steim sei spontan bereit gewesen, den Genossen die Räume zu überlassen, wie sich der SPD-Bundestagskandidat Mirko Witkowski freute.
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Gut Berneck vorgestellt
Steim berichtete über die Geschichte des Hauses und eine kuriose Verbindung des Gebäudes zu Esken. Friedrich Ebert war als Sattlergeselle mit einem Kollegen auf der Walz. Sie erfuhren, dass in Schramberg ein Sattler einen Nachfolger suche. Die beiden haben gelost – und sein Kumpel Heinrich Krön gewann.
So zog Ebert weiter, machte Karriere in der Arbeiterbewegung, wurde SPD-Vorsitzender von 1913 bis 1919. Ab 1919 wählten ihn die Deutschen zum ersten Reichspräsidenten.
Im September 1920 machte Ebert in Freudenstadt Urlaub und kam auf Einladung von Erwin Junghans nach Schramberg. „Hier in Gut Berneck hat Ebert zu Mittag gegessen“, berichtete Steim. Auch seien Kumpel von der Walz Heinrich Krön traf er bei dieser Gelegenheit wieder.
Mit Blick auf die „flatternde Vorsitzendentätigkeit“ ihrer Vorgänger seit Willy Brandt, habe Esken mit inzwischen sechs Jahren als Vorsitzende „Stabilität in die traditionsreiche Partei“ gebracht, so Steim.
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Nach der Wahl wieder zusammen arbeiten
Gerade sei Wahlkampf, da gehe es heftig zu. Er appelliere aber an die zukünftigen Partner, nach dem Wahlkampf die Visiere wieder hochzuklappen, professionell zusammen zu arbeiten „und gemeinsam die Zukunft zu gestalten“. Mit starkem Beifall bedachten die Genossen den langjährigen CDU-Politiker Steim.
Nach dem ungewöhnlichen Konzert im Foyer begaben sich die Gäste in den Speisesaal von Gut Berneck. Dort hielt Esken eine kurze Ansprache. Sie appellierte an die Bevölkerung, die politische Mitte zu stärken. Angesichts der Kriege in der Ukraine, im Gazastreifen und im Sudan und der Drohungen durch US-Präsident Donald Trump sei die Verunsicherung in der Bevölkerung groß, so Esken.
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Die europäische Friedensordnung sei durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin “in den Staub getreten“ worden. Aber auch der US-Präsident missachte das Völkerrecht. Bundeskanzler Olaf Scholz sei der einzige europäische Staatschef gewesen, der Trump in Sachen Grönland offen widersprochen habe, lobte Esken.
Innenpolitisch mahnte sie: „Es darf nicht zu einer Normalisierung der AfD kommen. Herr Merz, so geht es nicht.“
Von Gesundheitspolitik über Auto-Industrie bis zur KI
Es schloss sich eine intensive Fragerunde an. Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte Klaus Kirschner ging mit der Krankenhausreform seines Parteifreunds Karl Lauterbach scharf ins Gericht. Diese sei offenbar verfassungswidrig. Ebenfalls monierte er, dass ohne Parlamentsdebatte die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen beschlossen worden sei.
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Ob ein Gesetz verfassungswidrig sei, entscheide das Bundesverfassungsgericht, konterte Esken. Lauterbach habe im Übrigen im Gesundheitswesen vieles vorangebracht, was lange liegen geblieben sei.
Zu den Mittelstreckenraketen erinnerte sie daran, dass Russland in Kaliningrad genau solche Raketen stationiert habe, die auf Deutschland gerichtet seien. Putin rüste sein Militär massiv auf. „Die Russische Armee bereitet sich auf weitere Kriege vor“, ist Esken überzeugt.
Das Verhalten von CDU-Chef Merz in der Migrationsdebatte sei widerlich gewesen, die SPD müsse da noch klarer Position beziehen, fand eine Besucherin aus Lauterbach. Auch bei der Autoindustrie solle die Partei klarer benennen, dass die Manager „das Klima an die Wand gefahren“ hätten. In der Asyldiskussion schlug sie vor, Asylbewerber von Anfang an gemeinnützige Arbeiten verrichten zu lassen.
Klare Worte zu Merz
Esken versicherte, zum Wortbruch von Merz habe es „viele klare Worte gegeben“. Es funktioniere nicht, die Themen der AfD zu kapern, um sie zu schwächen. Auch bei der Autoindustrie seien Gewerkschaften und SPD sehr deutlich geworden.
Zur Flüchtlingssituation erinnerte Esken an die Arbeitsverbote zu Zeiten hoher Arbeitslosigkeit. Dies sei aber längst vorbei. Viele Geflüchtete wollten arbeiten. Der Beschäftigungsgrad bei Kriegsflüchtlingen aus Syrien sei inzwischen höher als bei der deutschen Bevölkerung. Wichtig sei die Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt.
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Mit dem Klimawandel und sozialen Problemen beschäftigte sich ein weiterer Fragesteller. Esken betonte: „Klimaleugnen muss man sich leisten können.“ Der CO2-Preis werde das Leben teurer machen. Deshalb soll ein sozial gestaffeltes Klimageld die Bürger entlasten.
Klaus Andreae erkundigte sich nach den Haushalt 2025 und der Haushaltslücke von 25 Milliarden Euro. Die SPD habe damals vorgeschlagen, die Schuldenbremse für Hilfen für die Ukrainische Flüchtlinge und die Ukraine auszusetzen. Der damalige FDP-Finanzminister habe an die Renten gehen und Zuschüsse für die Flüchtlingsunterbringung an die Kommunen zurückdrehen wollen. Daran sei die Regierung zerbrochen.
Die Europapolitik und rechte Regierungen in Ungarn und Italien, die Entwicklungen bei der künstlichen Intelligenz und das nicht geänderte Abstammungsrecht waren weitere Themen, die die Gäste beschäftigt haben. Esken konnte zu allem Auskunft geben.
Selfies mit der Vorsitzenden
Da sie noch einen weiteren Termin zu bestreiten hatte, beendete Witkowski die Gesprächsrunde. Mit einem Geschenk nämlich scharfen Gewürzen aus Waldmössingen verabschiedete Tanja Witkowski ihre Parteivorsitzende. Diese musste dann aber doch noch einige Minuten Modell für Selfies mit Genossinnen und Genossen stehen.
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Nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung führte Hausherr Steim den interessierten Besucherinnen und Besuchern die zahlreichen anderen mechanischen Musikinstrumente aus seiner Sammlung vor.
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